Nach den Fähren

Mengeler, Thea

Roman
Wallstein Verlag, 2024
ISBN: 978-3-8353-5585-9
172 S. 


Darum geht's
: Was passiert auf einer Urlaubsinsel, auf der sich alles auf Tourismus ausgerichtet hat, wenn keine Fähren mehr kommen? Die meisten Bewohner:innen verlassen die Insel. Einige bleiben jedoch zurück. Sie sind die Übriggebliebenen und gehen einem Alltag nach, der trostlos erscheinen mag. Während sie darauf hoffen, dass die Fähren eines Tages wiederkommen, versuchen sie, das bisschen Leben, das noch auf der Insel herrscht, am Laufen zu halten. 

Erst als ein Mädchen Namens Ada im Sommerpalast auftaucht, ändern sich die Begebenheiten langsam. Woher Ada kommt und wohin sie verschwindet, nachdem sie plötzlich wieder weg ist, weiß niemand. Ihr Interesse an der Vergangenheit und ihre bloße Anwesenheit sind aber Grund genug für den namenlosen Hausmeister, um sich mit der eigenen Geschichte zu befassen. Auch die Frage, ob die Rückkehr der Fähren wirklich so sehr herbeigesehnt wird, wie alle meinen, taucht nach und nach unter den Dorfbewohner:innen auf. 

"Wem gehört die Insel, fragt Ada vorm Zubettgehen, wem gehört sie jetzt?

Er blickt sie an, ohne zu begreifen.

Uns sagt er, natürlich uns. Wir waren hier, nicht nur in den Sommern, sondern auch in den kurzen, kalten Wintern. Wir waren die, die blieben. Wir bleiben noch. 

Sie antwortet nicht und ihm ist, als übersähe er etwas." (S. 46)

So geht's mir dabei: Dieses Buch hat im Jahr 2024 den HOT List Preis gewonnen. Das ist jener Buchpreis, der die Bücher des Jahres aus unabhängigen Verlagen kürt und ich durfte im Rahmen der Frankfurter Buchmesse live an der Preisverleihung teilnehmen. Alle Bücher, die dabei vorgestellt wurden, hätte ich am liebsten sofort gelesen. Das Gewinnerbuch habe ich mir schließlich gekauft, signieren lassen und sofort verschlungen. 😉

Wenn mich jemand fragt, was Literatur ist, dann kann ich sagen: DAS. Das ist für mich Literatur. Thea Mengeler spielt mit Sprache, bricht Erzählmuster auf und bleibt trotzdem nah an den Personen und an der Geschichte. Nie ist der Text abgehoben oder unverständlich, dafür immer berührend und besonders.

Die Kapitel sind spannend unterteilt. Zum Beispiel heißen diese "Einige Verluste" oder "Einige Übriggebliebene" und es werden Personen vorgestellt, die noch auf der Insel leben oder auch Dinge, die zur Neige gehen, wenn keine Fähren mehr fahren. Zum Beispiel der Kaffee (Katastrophale Vorstellung. Spätestens da würde ich wohl auch die Insel verlassen.) 

Ansonsten wird von den Geschehnissen an den unterschiedlichen Schauplätzen erzählt. "Der Hafen", "Der Strand", "Das gelbe Haus" und "Der Sommerpalast". All diese Orte sind auch auf einer Karte der Insel eingezeichnet, wodurch wir ein noch besseres Bild bekommen. So ergibt sich durch diese Erzählweise, in die wir Leser:innen auch erst ein wenig hineinfinden müssen, das Große und Ganze. Wir bekommen eine Vorstellung davon, wie es war und wie es jetzt ist und auch eine vorsichtige Ahnung davon, wie es sein wird. Das ist mitunter ernüchternd, aber auch verständlich und schließlich hoffnungsvoll. 

Der Autorin ist mit diesem Buch etwas gelungen, was ich sehr schätze: auf nur knapp 180 Seiten hat sie eine Geschichte erzählt, der es nicht an Tiefe fehlt und die meinen Horizont erweitert. Den Preis hat sie völlig zurecht gewonnen.

Geht's kurz und knapp: Ein grandioses Buch, eine völlig andere Erzählweise und eine Geschichte, die mich berührt hat. 

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