Jesolo

Raich, Tanja

Roman
Heyne, 2019
ISBN: 978-3-453-42414-2
221 Seiten


Darum geht's
: Andrea ist Mitte dreißig und bereits mit Georg zusammen, seit sie ein Teenager war. Die beiden sind gemeinsam erwachsen geworden und waren bisher bei allen Entwicklungen dabei, die zum Erwachsenwerden dazugehören. Nun sind sie an einen Punkt gelangt, an dem sie aber auseinander driften. Andrea findet ihren Job okay, sie findet den jährlichen Urlaub in Jesolo okay, sie findet ihre Beziehung okay. Aber mehr auch nicht. Langsam fängt sie an, zu hinterfragen, ob sie Georg wirklich noch liebt oder ob sie ihn einfach nur gewöhnt ist. Georg will seinerseits unbedingt die nächsten Schritte machen. Er will, dass Andrea zu ihm zieht, dass sie heiraten, dass sie Kinder bekommen und versteht nicht, warum Andrea nicht bereit dazu ist. 

Mehr und mehr streiten sich die beiden über diese Themen und Andrea zieht sich zurück. Sie denkt darüber nach, ihn zu verlassen. Sie will ihre eigene Wohnung nicht aufgeben, will nichts von Kindern oder Heirat wissen und schon gar nicht will sie aufs Land in das Haus der Schwiegereltern ziehen. Als sie merkt, dass sie ungewollt schwanger wurde, wird sie aber genau in diese Richtungen gedrängt und ihr werden Rollen zugeschrieben, die sie selbst nie einnehmen wollte. 
"Daniel und Anna fragen dieselben Dinge, die alle fragen. Ein Kreis, in dem wir auf und ab laufen, immer dieselben Gespräche, dieselben Fragen, dieselben Antworten. Ob das jetzt immer so sein wird? Zuerst die Schwangerschaft, dann die Renovierung, dann die Geburt, dann das Kind, die Windeln, der Kindergarten, die Schule." (S. 106)

So geht's mir dabei: Tanja Raich hat mich mit ihrem Schreibstil und dem Thema, das sie aufgegriffen hat, wirklich gepackt. Ich konnte das Buch kaum zur Seite legen, habe wirklich viele, sehr viele Situationen wiedererkannt und war nicht nur einmal richtig wütend. Abwechselnd auf die Protagonistin Andrea, auf ihren Freund Georg und auf die restliche Gesellschaft im Buch und im echten Leben. 

Die Autorin beschreibt wirklich hervorragend, was mit einer Frau passiert, wenn sie ein Kind erwartet und vor allem, was mit den Plänen und Träumen der Frau passiert, wenn es soweit ist. Wer plötzlich aller eine Meinung zum eigenen Leben, zum eigenen Körper, zum eigenen Handeln hat. Wer aller mitredet und es besser weiß. Was man sich einfach alles so anhören muss - ungefragt natürlich. Sie lässt in ihrem Buch kaum einen Ratschlag aus, den werdende Mütter, Ehe- und Hausfrauen erhalten. 

Über das Ende hätte ich gerne mit jemandem gesprochen. Das hat mich wirklich rasend gemacht. Wie überhaupt die Passivität von der Protagonistin Andrea. So sehr ich verstehe, was die Autorin damit bezwecken wollte, was sie uns vor Augen führen wollte, so sehr hätte ich mir gewünscht, dass sich die Geschichte in eine andere, neue Richtung weiterentwickelt. 

Geht's kurz und knapp? Ein Buch mit einem brandaktuellen Thema, das die Frage (zum Teil) beantwortet, was mit dem Leben einer Frau passiert, wenn sie schwanger wird, obwohl sie keine Kinder haben wollte. 

Wie immer könnt ihr das Buch direkt über den Link bei der Tyrolia Buchhandlung bestellen. Das unterstützt den stationären Buchhandel und auch meinen Blog. Danke dafür. 


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