Über Carl reden wir morgen

Judith W. Taschler

Roman

Zsolnay Verlag, 2022
ISBN: 978-3-552-07292-3
459 S.



Darum geht's
: Es ist ein Familienroman über die Familie Brugger, der seinen Anfang im frühen 19. Jahrhundert mit den Geschwistern Anton und Rosa Brugger nimmt und sich bis zu den Nachkriegsjahren des 1. Weltkrieges erstreckt. Man lernt die beiden kennen, die in einem kleinen Dorf im österreichischen Mühlviertel wohnen und verfolgt das Schicksal der Familienmitglieder über 3 Generationen. 
Anton betreibt die Hofmühle der Eltern, heiratet und bekommt Kinder. Rosa zieht es aus dem Dorf fort. Sie geht nach Wien und sucht ihr Glück in der Stadt. Durch die Schicksalsschläge, die Anton miterleben muss, kehrt sie schließlich nach vielen Jahren wieder zurück, um ihrem Bruder und seiner Familie zu helfen. 
Albert, der Sohn von Anton, schließt sich der k.u.k. Marine an und verlässt seinen Heimatort für 12 Jahre. Als er zurückkehrt will er die Hofmühle nicht weiterführen und überlässt diese Familientradition seiner Schwester und ihrem Mann. 
Er heiratet Anna, die er in Wien kennenlernte und baut ein Handelsgeschäft auf, das immer besser läuft und stetig wächst. Seine Geschäfte gehen richtig gut, bis der erste Weltkrieg ausbricht. 
Anna und Albert bekommen vier Kinder, darunter das Zwillingspaar Eugen und Carl. Während Eugen nach Amerika auswandert und sich dort im Holzgewerbe ein Geschäft aufbaut, zieht Carl in den Krieg, um sein Land zu verteidigen. Obwohl er als gefallen gilt, steht er eines Tages wieder vor den Türen der Hofmühle. Auch Eugen kehrt zurück, vor allem weil es dem Vater schlecht geht und er zu Hause helfen will. Nach den vielen Jahren der Trennung sind die Zwillinge wieder vereint und brauchen sich mehr, als sie es je für möglich gehalten hätten. 

"'Geh noch nicht', bat er, als Eugen zu Bett gehen wollte, 'ich war so viel allein im letzten Jahr. Bitte bleib noch bei mir sitzen und erzähl mir von deinem Leben in Übersee. Ich hör gern zu, dann sind die Stimmen in meinem Kopf zumindest für eine Weile still.'" (S. 377)


So geht's mir dabei: Diese Geschichte in eine kurze Inhaltsangabe zusammenzufassen, fällt mir unglaublich schwer. Ich weiß gar nicht recht, welche Erzählstränge ich herauspicken soll, um einen Eindruck zu schenken, weil der Roman so vielschichtig ist. 

Ich bin dem Verlag und der Autorin unglaublich dankbar, dass sie ein Lesezeichen mit einem Familienstammbaum beigelegt haben. Das habe ich wirklich gebraucht. Es ist also definitiv kein Buch, das man locker nebenbei liest und bei dem es keine Rolle spielen würde, mal ein paar Seiten zu überfliegen. Bei dieser Geschichte muss man schon dran bleiben, um den Faden und vor allem den Überblick nicht zu verlieren. Dank der hervorragenden Schreibweise von Judith W. Taschler fällt das "Dranbleiben" aber nicht schwer. Ich wollte das Buch ohnehin nicht mehr weglegen und dass ich mir nach knapp 500 Seiten denke, dass ich gerne noch weiterlesen würde, kommt auch selten vor. (Vor allem deshalb, weil ich normalerweise nicht zu so dicken Büchern greife! :-D) 

Das Buch schenkt seinen Leser:innen einen intensiven und nachdrücklichen Einblick in das Leben auf dem Land im Österreich des 19. Jahrhunderts. Wir erfahren viel von den Werten der Dorfgemeinschaft und der Familien, von der harten Arbeit, von der Unterdrückung der Frauen, der Kinder und von allen, die von der vermeintlichen "Norm" abweichen. Wir lernen die Traumvorstellungen von dem städtischen Leben in Wien und vor allem von Amerika kennen, das damals wohl wirklich als Land der unbegrenzten Möglichkeiten galt. Wir wohnen Geschehnissen und Gräueltaten des ersten Weltkriegs bei. 

Die österreichische Autorin Judith W. Taschler hat mich mit ihrem Buch wieder nicht enttäuscht. Ich mochte bisher all ihre Romane sehr gerne und auch dieses zählt zu meinen Lese-Highlights. Ich war zwar manchmal wirklich erschüttert darüber, wie viele Schicksalsschläge die Familienmitglieder ertragen mussten, aber es hat mich auch erstaunt, wozu Menschen fähig sind. Im negativen aber auch im positiven Sinne. Ich habe das Gefühl, viel über eine Zeit erfahren zu haben, von der ich bislang wenig wusste und die gesamte Familie Brugger ist mir richtig ans Herz gewachsen. Die Autorin hat eine Fortsetzung angekündigt. Ich kann es kaum erwarten. 

Geh'ts kurz und knapp? Ein großartiger Familienroman, der im Mühlviertel im 19. Jahrhundert spielt. 

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Ich bedanke mich auch bei Zsolnay für die Zusendung eines Rezensionsexemplars. 

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