Marzahn, mon amour

Geschichten einer Fußpflegerin


Oskamp, Katja
Hanser Berlin, Juli 2019
ISBN 978-3-446-26414-4
144 Seiten

Darum geht's: Eine Fußpflegerin erzählt von ihren Kund*innen, von ihrem Alltag im Kosmetiksalon in Marzahn. Erst mit Mitte 40 hat sie sich entschieden, sich beruflich neu zu orientieren. 

"Mein Leben war fad geworden – das Kind flügge,
der Mann krank, die Schreiberei, mit der ich es bisher verbracht
hatte, mehr als fragwürdig. Ich trug etwas Bitteres vor mir her
und machte damit die Unsichtbarkeit, die Frauen jenseits der
vierzig befällt, vollkommen. Ich wollte nicht gesehen werden." (S. 7)

Nach ihrem 45sten Geburtstag macht sie sich auf, um eine Ausbildung zur Fußpflegerin zu absolvieren und fortan ihr Geld mit dieser Tätigkeit zu verdienen. Sie findet schließlich eine Stelle in einem Kosmetikstudio in Marzahn, einem östlichen Stadtteil Berlins. Einst war dies hier die größte Plattenbausiedlung der DDR und deren oft in die Jahre gekommenen Bewohner*innen sind nun die Kund*innen von Katja Oskamp und nehmen auf dem Thron, wie sie den Fußpflegestuhl oft nennt, Platz. Dort erzählen sie mal mehr mal weniger von ihrem Leben, das sie teilweise seit mehr als 40 Jahren hier in Marzahn verbringen. Jedes Kapitel widmet sich einer Person, deren Füße die Protagonistin behandelt. Dabei erfährt man von den alltäglichen Sorgen und Begebenheiten der einzelnen und bekommt langsam ein Bild einer ganzen Gesellschaftsgeneration. 

So geht's mir dabei: Die Autorin schafft in diesem Buch etwas, das wahrhaftige Bewunderung in mir auslöst: Sie beschreibt Menschen wertfrei. Sie schaut nicht auf ihre Kund*innen, auf deren Probleme und deren Leben hinab. Sie erzählt den Leser*innen einfach davon und schafft somit ein Bild der Personen, das unglaublich echt ist. Das ganz nah am Menschen ist. Ein Bild, das den verschiedenen Geschichten Respekt zollt und die unfassbare Eigenschaft des "Immer-wieder-aufstehens" hervorhebt. Die Schicksale der einzelnen sind teilweise herzzerreißend, die Begegnungen mit ihnen im Kosmetiksalon dagegen oft humorvoll.  

Das Hörbuch wird von der Autorin selbst gelesen und ist ein wahrer Genuss. Die authentische Betonung der Sätze ist unbezahlbar und vor allem die direkte Rede, die häufig im Berliner Dialekt geschrieben wurde, wird von Katja Oskamp hervorragend gelesen. 

Ich kann auch alle beruhigen, die Füße nicht gerade spannend finden. Ich mag sie selbst nicht sonderlich gern, konnte das Buch aber trotzdem über die Maßen genießen. 

Geht's kurz und knapp? Ein wundervolles Buch, das sich schnell lesen lässt. Sprachlich und inhaltlich für mich perfekt getroffen. Auch das Hörbuch ist ein Genuss. 


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