Glücksjäger
Leonhard, Fabian
Mit Zeichnungen von Christine Ripken
Trabanten Verlag, Berlin
November 2020
100 S.
ISBN: 978-3-982-264-905
Lyrik. Ich mochte sie immer schon. Mich haben auch in meiner Schulzeit Gedichte nicht genervt. An der Uni hatte ich teilweise ein ziemlich schlechtes Gewissen gegenüber Lyriker*innen. Dort wurden die Gedicht regelrecht zermetzelt. Jaja....das Programm kennt dieses Wort nicht und es wird rot unterwellt....aber meine Leser*innen wissen ganz genau, was ich mit diesem Begriff meine. Zeile um Zeile, Wort um Wort, Silbe um Silbe wurden die Gedicht zerpflückt, analysiert und auseinandergenommen. Manche Dozent*innen waren erst zufrieden, wenn wir "wussten", was die Botschaft war. Wenn wir das Versmaß benennen konnten und zu erklären fähig waren, warum der*die Dichter*in dieses eingesetzt hatte.
Ich hatte damit laufend meine Probleme. Immer schon zweifelte ich diese theoretische und sachliche Herangehensweise an ein Gedicht an. Noch heute glaube ich, Gedichte entstehen viel mehr aus einem Gefühl heraus und viel weniger aus der Überlegung, ob nun ein Hexameter oder ein Alexandriner zum Einsatz kommen sollte. Die Augen schließen und die Worte von Ingeborg Bachmann wirken lassen, das lag mir viel mehr. Mich verträumt der bildhaften Lyrik von Rainer Maria Rilke hingeben, das war genau das Meine.
An der Uni bin ich längst nicht mehr und mit Lyrik darf ich seit Jahren machen, was ich will. Ich darf sie lesen, sie wirken lassen, darüber nachsinnen, sie wieder lesen, darüber nachdenken, Kopfschütteln, nicken, weiter lesen.....
Und so habe ich es auch mit dem Buch von Fabian Leonhard gehandhabt. Ein junger Lyriker aus Berlin, der Sprache einsetzt, um Alltagssituationen in einer Großstadt zu erzählen, um Geschichte zu verarbeiten, um die Natur begreifbar zu machen, um der Fantasie Raum zu geben, um Missstände in unserer Gesellschaft aufzuzeigen, um die Ausgangssperre zu ertragen und natürlich, um der Liebe, um Emotionen Ausdruck zu verleihen.
Die Worte in der Lyrik von Fabian Leonhard lassen mich oft mit einem Schmerz zurück. Pointiert kommt es in seinen Gedichten immer wieder zu unerwarteten Wendungen, die sich anfühlen, als hätte man umhüllt von den schönen Klängen der Sprachmelodie einen Kinnhaken bekommen. Die Wahrheit ans Licht bringen und in ihrer Brutalität den Leser*innen vor Augen führen, das kann Leonhard sehr gut. Und dazu benötigt er oft nur eine Handvoll Worte. Wie zum Beispiel in den folgenden Zeilen, in denen besonders der Schluss schmerzt.
MoriaBrennende Menschen
aus einem brennenden Land
brennen in einem brennenden Camp
für ein Leben
das wir daneben
einfach leben
(S. 35)
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