Nils geht

Kreslehner, Gabi


Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck, 2020
139 S.
ISBN: 978-3-7022-3843-8

Vielen Dank an die Tyrolia Verlagsanstalt für das Rezensionsexemplar.


Darum geht's: Nils ist ein fünfzehnjähriger Junge. Er ist alles andere als cool. Er ist zu klein. Zu schmächtig. Eigenartig angezogen. Zu leise. Zu verschlossen. Und diese Brille. Er ist das perfekte Opfer in seiner Schulklasse. Und Nils geht ausgerechnet in eine Klasse, in denen es die "fürchterlichen Vier" gibt. Davor, diese ernsthaft zu maßregeln, schrecken sogar die Lehrer zurück. Und natürlich auch alle anderen Klassenkamerad*innen. Die Kinder sind froh, wenn sie es nicht selbst sind, die unter Beschuss geraten. Viele finden nicht gut, was mit Nils gemacht wird. Sogar die fürchterlichen Vier finden oft nicht gut, was sie machen. Aber sie können es nicht lassen, ohne sich selbst eine Blöße zu geben. Und die anderen können ihm nicht helfen, ohne selbst in Gefahr zu geraten. 

"Detlef", sagten sie und grinsten. "Hallo, Detlef, alter Spinner!"
Und Nils: "Nils. Ich heiße Nils."
Er sagte das immer, jeden Tag sagte er das, wenn er morgens in die Klasse kam und sie ihn Detlef nannten und ihm die Tasche wegrissen und ihm laut grölend auf die Schultern schlugen, immer wieder auf die Schultern, jeden Tag, jeden Morgen, egal, wann er kam, spät oder früh, sie warteten auf ihn und schlugen ihm auf die Schulter und grölten: "Detlef, alte Sau!" Und er sagte: "Nils. Ich heiße Nils." Und wurde kleiner unter ihren Schlägen, immer kleiner, aber sagte: "Nils. Ich heiße Nils." (S. 17)

Eines Tages trägt der Mathe-Lehrer der Schülerin Mila, eine, der gefürchteten 4er Gruppe, auf, mit Nils Mathematik zu lernen, da sie sonst ihr Prüfung nicht schaffen würde. Bei diesen Nachhilfestunden lernt Mila Nils besser kennen und ist überrascht von seiner Klugheit und seiner Freundlichkeit. Nils kann sein Glück nicht fassen, als er merkt, dass Mila ihn nett findet. Ein Glück, das bald dramatische Folgen hat.

So geht's mir dabei: Als das Buch diese Woche angekommen ist, musste ich sofort mit dem Lesen beginnen und konnte es nicht mehr weglegen. Es geht um Mobbing. Ein Thema das mich auf mehreren Ebenen brennend interessiert. Erstens war ich selbst davon betroffen, als ich ein Mädchen war. Das ist so lange her, da gab es das Wort Mobbing noch nicht einmal. Zweitens habe ich Kinder und bin natürlich daran interessiert, wie man mit so einer Situation als Mama umgeht, wenn es die eigenen Kinder betrifft. Und drittens interessiert mich, wie man als Lehrer mit so einer Situation umgehen kann.

Das Buch ist so aufgebaut, dass man immer wieder Gesprächsprotokolle von Sara und Jo mit einem Therapeuten (nehme ich an) liest, in denen sie erzählen, was passiert ist. Dazwischen wird die Geschichte um Nils und warum sich die Ereignisse dermaßen zugespitzt haben erzählt.

Dabei lernt man mehrere Perspektiven kennen. Die, des Opfers Nils.
Diejenige von Sara. Sie ist mit Nils in einer Klasse, kennt ihn seit Kindertagen, die Mütter sind eng befreundet. Sara leidet auch darunter, wie es Nils geht. Kann überhaupt nicht mit der Situation umgehen. Weiß nicht, wie sie ihm helfen könnte und hat dabei unglaubliche Schuldgefühle, weil sie nichts getan hat, als alles eskalierte.
Dann die Perspektiven der vier Jugendlichen, die so gefürchtet sind. Die selbst Sorgen und Ängste haben, die sie überspielen und natürlich selbst mit ihren Gemeinheiten nicht immer gut klar kommen aber auch nicht die Feiglinge sein wollen, die nicht mehr mitmachen.
Außerdem die Perspektive der Lehrpersonen. Eine möchte gerne helfen. Weiß aber nicht wie. Und wird von den anderen eher gebremst, die finden, man sollte sich nicht allzu sehr einmischen. Der Direktor verbietet ihr ein Einschreiten sogar, da einer der vier Jugendlichen einen sehr einflussreichen Vater hat, der auch der Schule sehr viel Geld spendet. (Das war mir fast ein wenig zu Klischeehaft. Ich glaube, den einflussreichen Vater braucht es gar nicht, um vor einem Einschreiten zurückzuschrecken.)
Und schließlich sieht man, wie wenig die Eltern davon mitbekommen, was wirklich passiert mit ihren Kindern. Welche Opfer sie sind. Welche Arschlöcher sie sind. Und vor allem, dass sie schon viel erwachsener sind, als das den Eltern vielleicht bewusst ist.

Gewünscht hätte ich mir noch eine Art Hilfestellung. Ich habe immer darauf gewartet, auf die Auflösung. Quasi - man muss eigentlich nur das oder das tun und Mobbing ist kein Thema mehr. Komisch, dass dieser Wunsch nicht erfüllt wurde. 😒(oh the irony)
Natürlich gibt es diese Auflösung nicht. In jedem einzelnen Mobbingfall muss selbstverständlich anders interagiert werden, um diesen zu stoppen. Aber eine Message ist klar und deutlich im Buch: Es MUSS interagiert werden!

Geht's kurz und knapp? Höchste Leseempfehlung meinerseits. Ein Buch für Jugendliche, ein Buch für Erwachsene, die selbst mit dem Thema konfrontiert waren, ein Buch für alle, die mit Jugendlichen arbeiten, ein Buch für jeden, den das Thema Mobbing berührt.

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Tyrolia

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