Je tiefer das Wasser
Apekina, Katya
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Brigitte Jakobeit
eBook Suhrkamp Verlag, Februar 2020
978-3-518-42907-5
Vielen Dank an den Suhrkamp Verlag für das elektronische Leseexemplar.
Darum geht's: Edith und Mae kommen nach dem Selbstmordversuch ihrer Mutter Marianne bei ihrem Vater in New York unter, den sie bis dahin kaum kannten. Der Vater, Dennis Lomack, ist ein berühmter Autor. Schon als Marianne 14 Jahre alt war, hat er sie und ihren Vater kennengelernt. Und bereits damals war ihm klar, dass Marianne seine Frau werden soll. Das junge Mädchen wurde durch ihre Psychosen zum Antriebsmotor für seine schriftstellerische Tätigkeit. Und gleichzeitig zur Hauptfigur, seiner Romane. Dabei hat er sie aber 'ausgesaugt', ihr jegliche Kraft entwendet, ihr einfach nicht gut getan. Das war wohl der Grund, warum er sie und ihre gemeinsamen Töchter verlassen hat.
Nun hat Marianne versucht, sich das Leben zu nehmen, ist in einer Nervenklinik und wird medikamentös ruhig gestellt, während sich die Mädchen bei ihrem Vater an ihr neues Leben gewöhnen sollen.
Mae gelingt dies sehr gut. Sie genießt es, bei ihrem Vater zu sein. Sie will dort bleiben und ist froh, endlich von ihrer kranken Mutter, die sie so vereinnahmt hat, in Ruhe gelassen zu werden. Ganz anders Edith. Sie leidet unter der Trennung und beschließt schließlich, zu ihrer Mutter zu fahren, um ihr beizustehen. Ein Entschluss mit gravierenden Folgen für alle.
So geht's mir dabei: Was für ein nervenaufreibendes Buch. Ständig wird die Perspektive gewechselt. Edith erzählt im Präsens 1997. Mae erzählt im Rückblick, Jahre später. Man liest Briefe, die in den 60er Jahren von Marianne oder Dennis geschrieben wurden. Auch andere Personen kommen zu Wort. Dennis' Schwester und seine neue Frau. Aber auch Marianne, mit Briefen aus der Klinik. Ein Kapitel hat nur sehr wenige Seiten und so bin ich mir teilweise vorgekommen, als würde ich in einem Gerichtssaal sitzen und die Geschehnisse würden von allen möglichen Seiten aufgearbeitet und belichtet werden.
Diese kurzen Kapitel machen das Buch sehr schwungvoll, aber man muss am Ball bleiben, damit man sich weiterhin auskennt. Dabei nimmt es dieser dramatischen Familiensituation etwas von der Tragik. Ich glaube, wenn es anders erzählt werden würde, wäre es für mich kaum aushaltbar gewesen. Es war ohnehin teilweise richtig schmerzhaft.
Was mich besonders mitgenommen hat, waren die unerschütterlichen Versuche von Edith, ihre Mutter dazu zu bringen, ihr Zuneigung zu schenken.
"Was denke ich, Mom?" frage ich wieder. Hört sie es denn nicht?Dafür habe ich Marianne so verurteilt. Für diese Distanz. Obwohl mir klar war, dass sie krank ist. Ich konnte nicht anders, als sie für die Kälte gegenüber Edith zu verurteilen.
Ich denke: Zum Glück bist du wieder da. Ich denke: Geh nie wieder weg. Ich denke: Bleib so, im Augenblick geht es dir gut, so soll es bleiben. Ich denke: Liebe mich ohne das ganze Drama drum herum. Liebe mich ohne Distanz. (S. 328)
Krank ist auch, was zwischen Dennis und Mae geschieht, nachdem Edith das Weite gesucht hat. Mae wünscht sich nichts sehnlicher, als die Liebe ihres Vaters zu erleben, zu spüren. Dafür geht sie sogar soweit, in die Rolle ihrer Mutter zu schlüpfen, mit der sie unverständlich eng verbunden ist. Eine Verbindung wie diese, ist für Außenstehende nicht begreifbar. Genauso wenig wie das Verhalten von Dennis, der zunehmend übersieht, dass es nicht seine Exfrau, sondern seine Tochter ist, die seine Liebe braucht. Die Beziehung überschreitet Grenzen, was die beiden Leben nachhaltig prägt.
Womit ich gar nicht gut zurecht komme, ist das Ende. Ich spoilere nie, also belasse ich es dabei. Aber wenn du das Buch liest, bitte rede mit mir über das Ende. Das muss ich noch mit einigen besprechen, bevor ich es so stehen lassen kann.
Geht's kurz und knapp: Eine furchtbare Familiengeschichte. Mit so viel Leid und so vielem, das anders sein sollte. Aber unglaublich gut geschrieben. Aufwühlend, berührend, schmerzhaft, es geht einem richtig nahe. Es menschelt. So muss Literatur!
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Tyrolia
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klingt sehr spannend, kommt auf meine Liste! danke Sabine!
AntwortenLöschenSehr sehr gerne! Freut mich. ☺️
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